Wir alle kennen diese Momente des Unwohlseins im Arbeitsalltag. Beispielsweise sind wir verärgert, müde oder enttäuscht. Unser Verstand sagt uns: „Hey, kein Grund, dich aufzuregen!“ oder „Mensch, das war doch gar nicht persönlich gemeint!“. Aber in uns herrscht emotionale Wallung pur. Auch rationale Einsichten, selbst wenn gut gemeint sowie inhaltlich korrekt, helfen nicht, uns zu beruhigen. Und genau dieser ruhige gelassene Zustand ist doch jener, den wir so gerne im Arbeitsalltag anstreben.
Unser Nervensystem
Es gibt einen biologischen Grund, weshalb Ratio und Emotion mitunter getrennte Wege gehen. Denn unser Verstand und damit unser rationales Denken sitzen im Gehirn ganz woanders als die Steuerung unserer emotionalen Wallung. Das rationale Denken tritt allerdings in den Hintergrund, wenn wir uns, unsere Werte oder Bedürfnisse bedroht sehen. Diese Steuerung wird vom autonomen Nervensystem vorgenommen und ist unserem rationalen Denken vorgeschaltet.
Oft sind die vom autonomen Nervensystem wahrgenommenen Bedrohungen jedoch gar nicht existenziell, wahr oder schlimm. Der Grund dafür: Das Nervensystem nutzt alte Erfahrungen als Maßstab und greift auf vor langer Zeit erworbene Verhaltensautomatismen zurück. Die gute Nachricht: Wir können lernen, die Automatismen, die nicht mehr up to date und hilfreich sind, zu stoppen. Und wenn wir lernen, uns erst einmal zu beruhigen, dann können wir auch wieder aus der Ruhe heraus vernünftig nachdenken.
Erst wenn unser Nervensystem sich nämlich beruhigt, haben wir vollen Zugriff auf unser rationales Denken und können vernünftige Entscheidungen treffen. Somit ist es ein erster sinnvoller Schritt, innere Wallung wahrzunehmen und zu prüfen, ob eine echte Bedrohung vorliegt. Nehmen Sie sich anschließend einen Moment für die innere Selbstregulation, um besonders im beruflichen Umfeld weiterhin professionell agieren zu können.

Individuelle Ressourcen im Arbeitsalltag
Jeder Mensch benötigt etwas anderes, um sich erneut in Balance zu bringen. Zudem ist jeder Moment räumlich und zeitlich verschieden, was unterschiedliche Maßnahmen der Selbstregulation erfordert. Finden Sie heraus, welche Methoden Sie im Arbeitsalltag unterstützen, wenn es einmal wieder turbulent zugeht!
Reflexionsfragen – Selbstregulation im Arbeitsalltag
Reflexionsfragen können Ihnen helfen, sich bewährte Regulationsmechanismen bewusst zu machen oder neue Optionen zu erkunden, um allmählich Ihre Schatzkiste der Selbstregulationstools zu füllen:
- Was benötigen Sie im Berufsalltag, um körperlich in Balance zu kommen? Ruhe oder Bewegung? Wie kann das aussehen? Beschreiben Sie es möglichst konkret!
- Was brauchen Sie, um emotional in Balance zu kommen? Abstand oder Kontakt? Wie können diese Varianten aussehen? Beschreiben Sie diese möglichst konkret!
- Was benötigen Sie, um mental in Balance zu kommen? Aktivierung der grauen Zellen oder eher raus aus dem Kopf und rein in die sinnliche Wahrnehmung (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten)? Beschreiben Sie auch dies möglichst konkret!
Hierbei gibt es kein richtig oder falsch. Stattdessen handelt es sich um ein: So ist das für mich! Erlauben Sie sich, verschiedene Dinge auszuprobieren!
Drei bewährte Strategien im Berufsalltag
Auch wenn wir und ebenso die Herausforderungen im Beruf unterschiedlich sind, bestehen einige Möglichkeiten, die vielen von uns helfen, sich zu regulieren. Probieren Sie die folgenden Impulse aus und wenn diese Ihnen guttun, füllen Sie diese in ihre Schatzkiste der persönlichen Selbstregulations-Tools!
Atemübung -> jederzeit durchführbar, auch im Gespräch, Meeting oder der Videokonferenz
Unser Atem begleitet uns ein Leben lang. Er reagiert umgehend, wenn wir in Stress geraten. Mit tiefen und ruhigen Atemzügen bis tief in den Bauch hinein können wir uns erneut beruhigen und auch unserem Nervensystem indirekt mitteilen, dass wir uns nicht in Gefahr befinden. Dadurch wird die Stressausschüttung unterbrochen. Bauen Sie mehrfach am Tag Momente mit tiefer Bauchatmung ein, so wird es leichter fallen, daran zu denken, wenn Sie in Stress geraten!
Bewegung -> Pausen und Wege bewusst nutzen
Unser Körper benötigt Bewegung nicht nur, um fit zu bleiben. Er baut durch Bewegung auch Anspannung ab und erleichtert es uns, wieder in Balance zu kommen und zu bleiben. Finden Sie Bewegungsmöglichkeiten im Berufsalltag! Hier einigen Anregungen: Pausen für Spaziergänge an der frischen Luft verwenden, Treppen steigen statt den Fahrstuhl nutzen, vor und/oder nach der Arbeit eine kleine Runde um den Block drehen, das funktioniert auch im Homeoffice.
Natur -> Fotos/Bilder, Blick aus dem Fenster, Spaziergang, Imagination nutzen
Natur hilft beim Abschalten und Regenerieren, dies haben Studien längst bewiesen. Finden Sie Ihren Ort in der Natur, an dem Sie so sein können, wie Sie sind. Ohne Leistungsdruck und ohne Erwartungen empfängt uns die Natur und schenkt uns Regeneration für Psyche und Körper. Vielleicht haben Sie einen Lieblingsort am Meer oder in den Bergen oder im heimischen Garten? Auch Fotos oder innere Vorstellungen Ihres Ortes helfen bereits beim Entspannen. Womöglich gibt es einen Park in der Nähe, den Sie in Pausen aufsuchen können? Oder Sie entspannen zwischendurch Ihre Augen, indem Sie den Blick in den weiten Himmel schweifen lassen. Ansonsten nutzen Sie die Kraft von Fotos: ausgedruckt oder auf Ihrem Handy.
Zu guter Letzt …
Eine der größten Herausforderungen für uns Menschen ist es, freundlich gegenüber uns selbst zu bleiben, wenn es im Arbeitsalltag mal wieder anders läuft als gedacht. Gestehen Sie sich ein, dass jeder von uns unangenehme Momente im Berufsalltag erlebt und, dass es Menschen gibt, die ähnlich empfinden. Bleiben Sie freundlich mit sich und erlauben Sie sich, sich gut um ihre Bedürfnisse und ihre Selbstregulation zu kümmern! Es ist der erste Schritt, um die täglichen Hürden souverän zu meistern.
Wir wünschen Ihnen eine gute Selbstregulation im Berufsalltag!
Autorin: Dipl.-Psychologin Michaela Hüpperling